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Kuhstall & „Kurz vorm Chaos“


Mein Praktikum in der Theaterpädagogik 


„Was machst du hier in Leipzig für nur zwei Monate?“

Wie oft habe ich diese Frage jetzt schon gehört: Ob beim WG-Casting, während zahlloser Zigaretten vor zahllosen Kneipen oder beim Tischtennis mit noch unbekannten Gegner*innen.

„Ich mache ein Praktikum beim Schauspiel Leipzig.“

Die Augen meines Gegenübers werden größer, Begeisterung legt sich in die Stimme: „Wie cool  hast du viel mit den Schauspielenden zu tun?“

Nachdem ich diese Frage ehrlich mit einem „Nein“ beantworte und zugeben muss, weder an neuen Produktionen beteiligt zu sein, noch Sandra Hüller und Co vor den Aufführungen in ihre Kostüme zu stecken, oder in der Maske vorzubereiten, legt sich die Begeisterung etwas. Mit einem: „Ich bin dort bei der Theaterpädagogik“ kann ich zwar neue Neugierde erwecken, die Frage vom Anfang bleibt aber bestehen: Was mache ich hier eigentlich?

 

Erstens schaue ich in eine Arbeitswelt, die mir bisher völlig unbekannt ist. Zweitens versuche ich, in ihr zurechtzukommen  mit meist liebevoller Unterstützung von Maxi, Amsi (FSJlerinnen), Nele und Amelie (Theaterpädagoginnen). In der Praxis heißt das, Spiele mit verheißungsvollen Namen wie Hi-Ha-Ho, Popcorn, oder Kuhstall spielen, Standbilder stellen, Singen und Tanzen. Und das alles mit Menschen von 10 bis 90 Jahren. Dabei blieb auch das theatertypische Lampenfieber nicht aus, wenn ich mich mal getraut habe, Übungen selbst anzuleiten. Denn was einfach klingt, kann bei einer Gruppe von 20 Schüler*innen auch in einem kleinen Chaos enden, wenn die Spielleitung nicht die richtigen Worte findet, oder die Kunst der Motivation beherrscht.

 

Apropos Chaos: Das Winterferienprogramm „Kurz vorm Chaos“, hat mir auf wundervolle Weise den Sinn hinter den lustigen Spielen und Übungen gezeigt. Die Gruppe von Jugendlichen hat sich nicht nur im Bereich Impro ausgetobt, sondern aus meiner Sicht auch eigene Erwartungen, wie „selbstbewusster werden“, „Spaß haben“ und „Freund*innen kennenlernen“  erfüllt (was dann auch schon einmal dazu führen kann, dass der Praktikantin vor Rührung eine Träne über die Wange fließt  ein superschönes Gefühl).

 

 

Im Praktikum bin ich aber nicht nur über den Körper gegangen, wie man in der Theaterpädagogik so schön sagt; ich konnte mich auch mit Hintergründen zu verschiedenen Stücken beschäftigen, die aktuell im Schauspiel aufgeführt werden. Besonders hat mich dabei die Recherche rund um das Stück Nullerjahre gepackt, das auf dem gleichnamigen Roman von Hendrik Bolz beruht. Nicht nur, dass das Buch selbst mich in seinen Bann gezogen hat; es ist auch ein gutes Gefühl, sich intensiv mit so wichtigen Themen wie den sogenannten Baseballschlägerjahren auseinanderzusetzen, die durch Gewalttaten von Neonazis geprägt waren, und Narrative und Klischees über „den Osten“ zu hinterfragen.

 

 

Ein noch besseres Gefühl ist es, zu wissen, dass Kinder und Jugendliche über Theater mit solch komplexen Themen in Kontakt kommen können  und es dann auch noch Personen gibt, deren Job es ist, diese extra für sie aufzubereiten. Ob ich selbst irgendwann einmal so eine Personen werde  wer weiß… erst einmal schlüpfe ich wieder zurück in mein Studium nach Münster und sage ganz laut: 1, 2, 3, CIAO.

 


Nina Lennartz studiert momentan Sozialanthropologie und Philosophie im Bachelor und interessiert sich besonders für kreatives und journalistisches Schreiben. In Zukunft möchte sie unbedingt selbst mehr Theater spielen und machen.