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„zwei herren von real madrid“, oder: Alles, was Fußball nicht ist.

(Ein Stück) in der Sportschau – theatralische Spielhighlights und dramatische Spoilergefahr!

 

Während das Publikum wie im Stadion die Plätze einnimmt, die Spannung steigt, Flutlicht angeht und die Teamaufstellung als Leuchtschrift vorbeizieht, setzen sich zwei Personen in den Krater des Querschnitts eines Fußballfeldes. Die Stimmung jedoch: gänzlich abseits eines Stadions. Wald. Stille. Zärtlichkeit und Ruhe, statt aggressivem Fangesang. Ein Gespräch zwischen Fremden, ein Gespräch, das unangenehm naiv scheint. Zwei Fußballspieler, deren Namen nie wirklich aufkommen und lediglich auf ihre Position als Stürmer und Mittelfeldspieler referieren, in glänzenden Seidentrikots, die eigentlich gar nicht Real Madrid zuzuordnen sind. Zwei Fußballspieler, die Abstand suchen und dafür einander finden. Anspannung und gleichzeitig Verletzlichkeit. Es bleibt unklar, wie fremd sie sich wirklich sind. Ein Zufall, dass sie sich treffen? Stille, Bananen, Filz und Obst. Kennen sich die beiden tatsächlich noch nicht? Ein Umgang, der vorsichtiger, ungeschickter und respektvoller kaum sein könnte. Ist das ein Flirt oder Unsicherheit? Der eine besitzt einen Drachen als Haustier, der andere lädt zu einem gemeinsamen Weihnachtsfest ein. Zwei Herren eben, die unter der Regie von Albrecht Schroeder und gespielt von Denis Grafe und Matthis Heinrich, das Stück von Leo Maier mitreißend verwirklichen.

 

Techno und grelles Licht, Weihnachtsdeko. Eine Mutter, die nicht aufhört zu reden und zu schwärmen, sie kennt und verehrt den neuen Freund. Ein Vater, der lächelnd beobachtet. Lärm und Stille. Der erste Freund, der den Eltern vorgestellt wird? Die unangenehme Stimmung des ersten Kennenlernens. Die erwachsenen Männer werden zu Jugendlichen, zu Kindern. Aufregung und Peinlichkeit. Bananenbrot. Sind diese beiden wirklich nur Freunde? Sehr unwahrscheinlich. Die Familie bespricht wie eine Fußballmannschaft, ob Tabu gespielt wird. Tabu wird gespielt. Sind das Spiel, die Situation oder die Beziehung tabu? Aufregung, Druck und überspitzte Darstellungen, tiefgründige Nebensätze in banalen Gesprächen und humorvollen Inszenierungen von unangenehmen Alltagssituationen umrahmen oder befördern eine sich aufbauende romantische Beziehung. Fast schon komödiantische Fußballanekdoten begleiten das ernste, im Fußball verdrängte und verschwiegene Thema von Homosexualität. Im Look einer Drag-Queen und Licht der Regenbogenfarben dient ein Bananenbrot als Überleitung und Kommentarfunktion. Eine Beerdigungsszene erinnert an eine Mannschaftsaufstellung: Cry me a river. Ein Kuss und ein ungeplantes Outing. In den offenbar normalen Strukturen des Fußballs gefangen und plötzlich in der Öffentlichkeit. Warum ist die Beziehung zwischen zwei Spielern so relevant?  Fast schon skandalös? Sergio Ramos hält einen Monolog über Vergänglichkeit, ein anderer verlässt den Verein. Werbung, Werbung, Werbung. Wird die lächerliche Realität dargestellt oder die Realität verlächerlicht? Lärm und Stille, Öffentlichkeit und Verletzlichkeit, Leben und Sterblichkeit, Homosexualität und Fußball. Ein Stück geprägt von Dualismen. Oder Ergänzungen?

 

Es berührt und bewegt, lässt zweifeln und hoffen, trauern, lachen und glauben. Liebe scheint lächerlich und wunderbar idiotisch, die Fußballwelt hingegen auch erstaunlich ernst zu sein. Ein Grenzspiel zwischen Banalität und Absurdität und ein Balanceakt von Gesellschaftskritik  und Selbstironie, die in Menschlichkeit schweben und eben diese hinterfragen lassen und zu einem fesselnden Wirklichkeitserlebnis einladen.

 

zwei herren von real madrid. Alles, was Fußball vielleicht doch ist, ein Theaterstück.


Louisa ist Teilnehmer*in des SCENEN::NOTIZ Kollektivs in der Spielzeit 2023/24. 

SCENEN::NOTIZ ist ein Projekt des Schauspiel Leipzig in Kooperation mit der Jugendpresse Sachsen e.V..

Es richtet sich an alle theaterinteressierten Menschen, die ihre Gedanken zu den Inszenierungen in Form von Kritiken und Rezensionen festhalten möchten. Im Anschluss an einen kostenfreien Theaterbesuch tauschen sich die Teilnehmer*innen über das Gesehene, sowie die dazu entstanden Texte, gemeinsam mit dem Team der Theaterpädagogik und einer Vertreter*in der Jugendpresse aus. Die fertigen Texte werden dann hier auf dem hauseigenen Blog veröffentlicht!