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(M)ein Abend im Schauspiel Leipzig

Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui“ in der Inszenierung von Nuran David Calis sehe ich am Sonntag, den 03.12.23 auf der Großen Bühne im Schauspiel Leipzig. Meine Vorbereitung auf Brechts Parabel beläuft sich auf eine kurze Zusammenfassung, die ich auf dem Weg ins Schauspiel in der Bahn gelesen habe, sowie eine Stückeinführung, die ich im Eingangsbereich des Schauspiels gefunden und anschließend im Saal angehört habe. Wie ich im Laufe des Abends noch feststellen werde, werde ich diese Vorbereitung auch brauchen. Hier eine kleine Anmerkung: im Folgenden werde ich auf die Inszenierung eingehen, wer das Stück also noch ohne Spoiler ansehen möchte, sollte hier aufhören zu lesen!

 

Die Vorstellung beginnt um 19:33. Eine Anspielung auf den Nationalsozialismus, den Brecht, laut meiner kleinen Recherche im Vorhinein, eigentlich behandelt, oder ist das vielleicht doch nur Zufall? In jedem Fall folgt nun meine dritte Einführung an diesem Tag. Dieses Mal kommt sie von einem Clown mit beeindruckendem Gebiss, der an einem Schreibtisch sitzt und fahrig in einigen Aktenordnern blättert.

Im Folgenden füllt sich die blaue Bühne mit immer mehr farbenfrohen Clowns, die uns in den Chicagoer Gemüsehandel und das Büro des Bürgermeisters mitnehmen. Nach einigem Ränkeschmieden seitens der Blumenkohl-Händler Chicagos, immer wieder für den Szenenwechsel mit moderner Musik unterbrochen, bekomme ich zum ersten mal Arturo Ui, ganz in rot und mit einer beeindruckenden blonden Frisur, zu Gesicht. 

Nun beginnt Arturo Ui sein Spinnennetz aus List, Tücke und vor allem Angst zu spinnen. Zuerst ist es nur der Blumenkohl, schließlich umfasst sein Machtbereich auch die Politik der Stadt Chicago, diesen baut er immer weiter aus, in dem er mit Hilfe seiner skrupellosen Gefolgsleute und Handlanger jeden, der sich ihm in den Weg stellt, ausschaltet, bevor sie ihm gefährlich werden können. 

Arturo Ui errichtet so eine Terrorherrschaft, die er gegen Ende des Stücks auch auf die Nachbarstadt Cicero ausdehnt, während dieses Prozesses wird es für mich immer schwieriger, der Handlung zu folgen, nicht nur aufgrund des anspruchsvollen Brecht-Textes, sondern auch, weil der Wahnsinnsgehalt im Verhalten der handelnden Personen immer weiter steigt und die Bühne zusehends im Chaos versinkt. 

 

Trotzdem verliere ich zu meiner Überraschung bis zum Ende nicht den Faden und verlasse das Stück, das im Übrigen eine ca. 20-minütige Pause hat, um 22:06. Das überfordernde Gefühl, das die vielen intensiven Sinneseindrücke verursachen, legt sich schon auf dem Weg zur Garderobe und wird von dem unguten Gefühl abgelöst, wie leicht man Clowns wie Arturo Ui auf Grund ihrer Lächerlichkeit übersieht, bis aus dem belustigten Lachen furchtsame Stille wird.


Minou ist Teilnehmer*in des SCENEN::NOTIZ Kollektivs in der Spielzeit 2023/24. 

SCENEN::NOTIZ ist ein Projekt des Schauspiel Leipzig in Kooperation mit der Jugendpresse Sachsen e.V..

Es richtet sich an alle theaterinteressierten Menschen, die ihre Gedanken zu den Inszenierungen in Form von Kritiken und Rezensionen festhalten möchten. Im Anschluss an einen kostenfreien Theaterbesuch tauschen sich die Teilnehmer*innen über das Gesehene, sowie die dazu entstanden Texte, gemeinsam mit dem Team der Theaterpädagogik und einer Vertreter*in der Jugendpresse aus. Die fertigen Texte werden dann hier auf dem hauseigenen Blog veröffentlicht!