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Anouk und Adofa

Der helle Laminatboden zieht sich ungefragt und unauffällig die Wände der Einzimmerwohnung hoch. Darin befinden sich ein niedriges Bett, ein grauer Sessel und ein Lebkuchenherz. Gerade so reicht der Platz für eine Küche, in der erschreckenderweise sogar die Spüle angeschlossen ist. Das Bühnenbild ist nun Projektionsfläche für alle, die damit etwas anfangen können. Es spielt keine Rolle, die Wohnung ist der ganz unkitschige, Ist-Zustand der Beziehung. Sie ist einfach da.

 

Sie wohnen mit Mitte bis Ende zwanzig zusammen, weil sie zusammen sind, weil sie sich irgendwann - sagen, die lebhaften Projektionen - ineinander verliebt haben und weil sie nun mal zusammen sind. Anouk mit ihren rotgefärbten Haaren, die zwischen wütendem Feminismus und nicht beneidenswerten mittelschweren Depressionen einfach verdammt lustig ist. Adofa, der auf dem Kühlschrank sitzt. Adofa mit uneingeschränktem Optimismus, der fast schon nervig und doch nur gespielt ist?

 

Die Ausgangslage für Damghanis erstes Auftragswerk am Schauspiel Leipzig ist folgendermaßen: Anouk hat ein Erstgespräch für einen Therapieplatz, während Adofas Mutter vor ein paar Wochen unerwartet früh gestorben ist. Wer sind sie eigentlich ohne einander? Reicht romantische Zuneigung zur Verdrängung der Weltsituation?

 

Konsum ist Alltag und gehört dazu. Wo ist denn schon wieder der ganze Tag hin? Sie sind verliebt und können sich nicht leiden. Anouk muss dringend noch ihren Bauplan zu Ende schreiben. „Noch 5 Minuten lass mich doch noch 5 Minuten in Ruhe!“ Aus 5 Minuten wird sich langsam einschleichende Entfremdung. Adofa hat einfach zu gute Laune, obwohl er nachts stundenlang mit seiner toten Mutter in der Küche plaudert. Anouk hat genug mit ihrem Gefühl zu kämpfen, "leicht defekt" zu sein. Sitzt im Publikum zufällig ein Therapeut mit freien Therapieplätzen?

 

Zum dramatischen Höhepunkt passiert alles, was noch auf der Liste der Triggerwarnungen gefehlt hat. Wenn die beiden einen Hund gehabt hätten, wäre der sicherlich auch gestorben. Mit dem Ende und dem Nicht-Erwachsen-Werden-Können-Und-Oder-Wollen, sind beide im Dunkeln gelassen. Was dem Gefühl, dass das Stück hinterlässt, kaum Abbruch tut. Wenn selbst die Beleuchter*innen noch über die Witze Anouks und die Widersprüchlichkeit Adofas lachen, müssen die Mitwirkenden irgendwas richtig gemacht haben, um so viel Nahbarkeit, Unruhe, Freude und Mitgefühl ausgelöst zu haben.

Die nächste Aufführung von Anouk und Adofa" ist am: 

Fr, 17.03. 20:00-21:40

+ Nachgespräch 

Diskothek 


Dana ist Teilnehmer*in des Scenen::Notiz Kollektivs in der Spielzeit 2022/23.

Scenen::Notiz ist ein Projekt des Schauspiel Leipzig in Kooperation mit der Jugendpresse Sachsen e.V..

Es richtet sich an alle theaterinteressierten Menschen, die ihre Gedanken zu den Inszenierungen in Form von Kritiken festhalten möchten. Im Anschluss an einen kostenfreien Theaterbesuch tauschen sich die Teilnehmer*innen über das Gesehene, sowie die dazu entstanden Texte, gemeinsam mit dem Team der Theaterpädagogik und einer Vertreter*in der Jugendpresse aus. Die fertigen Texte werden dann hier auf dem hauseigenen Blog veröffentlicht!