Schon wieder online?

Schon wieder stundenlang in Online-Konferenzen hängen. Schon wieder hat keiner die Kamera an. Schon wieder sagt keiner was. Schon wieder diese Stille! So sah die dritte Seminarfahrt aus, die eigentlich ins Bildungszentrum nach Sondershausen in Thüringen gehen sollte. Doch diesmal fasste ich mir einen Plan und nutzte gleichzeitig eine Chance, die während meines BFDs kein zweites Mal kommen würde. Ich fuhr nach Amsterdam, denn online kann man von überall dabei sein. Da die Theaterferien ab Mitte Juli die einzige Möglichkeit sind, längerfristigen Urlaub zu nehmen, ließ ich mir diese Option nicht entgehen. Solange ich eine stabile Internetverbindung von 9 bis 14 Uhr hatte, war das Wo meiner Anwesenheit irrelevant.

 

Komm wir fahren nach Amst…

Am Freitag, dem 1. April um 5:42 Uhr sollte es losgehen. Doch was erst wie ein schlechter Aprilscherz daherkam, wurde Wirklichkeit. Verschlafen. Zwei Stunden. Es kommt mir vor wie ein Déjà-vu der ersten Seminarfahrt. Wild debattierten Annie, eine Freundin aus der Uni und ich hin und her, welche Möglichkeiten wir hatten, um noch am selben Tag nach Amsterdam zu kommen. Einfach den nächsten IC zu buchen, war für unser beider Geldbeutel einfach zu teuer, ebenso das Fliegen. Mitfahrgelegenheiten gab es keine und FlixBus dauerte viel zu lang. Doch dann der Geheimtipp: das Quer-durchs-Land-Ticket. Einen ganzen Tag mit den Regionalzügen durch Deutschland kurven. Ohne großes Zögern suchten wir uns eine Route bis zur deutsch-niederländischen Grenze aus, um von dort aus zum Amsterdam Centraal zu fahren. Doch wer schon einmal mit der Deutschen Bahn gereist ist, der weiß, dass Verspätungen, verpasste Anschlüsse und unerwartete Stopps zur Tagesordnung gehören. Und so erstreckte sich unsere Fahrt letztlich auf insgesamt 13 Stunden. Ankunftszeit: 23:00 Uhr.

 

Heut sag' ich, es war einmal…

Da waren wir also: Amsterdam. Wild, überladen und wunderschön. Eine Stadt, die im 13. Jahrhundert auf sandigem Untergrund errichtet wurde und durchzogen von ihren unzähligen Wasserstraßen, weltbekannt ist. Während sich das Wetter zwischen Schnee, Regen und Sonnenschein bewegte, besuchten wir etliche Museen, wie bspw. das Fotografie-Museum FOAM mit einer Ausstellung von Jonathas de Andrade und Bill Brandt, das Eye Filmmuseum und das Sexmuseum Venustempel, dass leider nur plakative Nacktdarstellungen zu bieten hatte und meilenweit von einem kulturhistorischen Diskurs entfernt war.

Natürlich durfte eins nicht fehlen: denn neben meiner Passion für das Theater ist das Medium Film nicht aus meinem Leben wegzudenken. Es lag also auf der Hand, auch die Kinosäle dieser Stadt zu erkunden.

Ein weiteres Highlight war der Besuch des größten Flohmarkts Europas, der mit seinen circa 750 Ständen eine wahre Reizüberflutung auslöste. Klamotten im Überfluss, Kitsch und Krempel, wohin das Auge reicht und viel zu sparsam gesetzte Imbissbuden, bei denen lange Schlangen keine Seltenheit waren.

 

Liebe hat total versagt…

Und dann war da noch das Seminar. Dieses war der politischen Bildung gewidmet und bot eine Vielzahl unterschiedlichster Themen an. Ich entschied mich anlässlich des Ukraine-Kriegs für das Thema Russland verstehen. In ersten Diskussionsrunden verschafften wir uns einen Überblick über die möglichen Subthemen derer wir uns dann, nachdem wir uns für eins entschieden und in Gruppen zusammengefunden hatten, in einer medialen Form erarbeiten und präsentieren sollten. Neben Zeitzeugeninterviews zum aktuellen Krieg oder einer Kindersendung über die russische Geschichte produzierten wir einen Podcast zum Thema russische Oppositionsgruppen. Leider fehlte es wie immer an Zeit, um sich dem Thema in der Tiefgründigkeit zu widmen, die es verdient hätte.

 

Rote Rosen soll'n vom Himmel fallen…

… hoffentlich, denn die nächste und letzte Seminarfahrt kommt schon bald. Und die Prognosen stehen gut, dass es diesmal in Präsenz stattfinden wird. Ansonsten steht Italien noch auf meiner Reiseliste. Doch das würde ich mir lieber für den Sommer aufheben …


 Philipp Hechtfisch (er/ihn) ist als beurlaubter Student jetzt so langsam in Leipzig angekommen. Neben seiner kreativen Arbeit in der Theaterpädagogik, hängt er auch gerne mal in der Dramaturgie ab.