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Eine etwas andere Seminarfahrt

Kurz vor Weihnachten war klar, die zweite Seminarfahrt findet nicht im wunderschönen Görliwood am Rande Sachsens statt, indem Tarantino, Anderson und Co. ihre cineastischen Spuren hinterlassen haben, sondern in den eigenen vier Wänden. Richtig, diese Seminarfahrt fuhr nirgendwo hin. Herzlich Willkommen bei Zoom. Montag bis Donnerstag von 9:30 bis 17:00 Uhr und freitags bis 15:30 Uhr. Meine Vorfreude war dementsprechend riesig bis gar nicht vorhanden. Ich freute mich natürlich total, die anderen zusehen, doch demgegenüber hatte ich so gar keine Lust auf das online Format. Einen Vorteil hatte das Ganze, solch eine Odyssee, wie nach Kohren-Sahlis blieb mir diesmal erspart.

 

Nachdem ich am Abend zuvor meinen Wecker auf 9:15 Uhr gestellt hatte und am darauffolgenden Morgen genüsslich die Schlummertaste drückte, verschlief ich beinahe (das sollte tatsächlich noch öfter die Woche vorkommen). Doch zum Glück war weder der Weg zum Schreibtisch zu weit, noch fehlte es an ausreichender Aktivierung am Morgen. Gleich zu Anfang gab es die sogenannten WUPs (Warm Ups), die sich in der Woche zwischen scribbl.io, Hol etwas, das … und Wortverkettungsspielen bewegten. Besonders das zweite Spiel verlangte mehr Bewegung ab, da man etwas in seinem Raum suchen musste, dass dem Satz Hol etwas, das … bspw. Grün, Flauschig oder einen emotionalen Wert für dich hat, entsprach.

 

Im Voraus konnte man aus einer Vielzahl von Workshops wählen, die sich rund um die Themen Berufsorientierung, die eigene Identität drehten, aber auch Sexismus und Rechte Gewalt beinhalteten. Das Großartige an den Workshops sind die neuen Impulse und Denkanstöße, die mich zur Selbstrecherche und -reflexion angeregt haben. Vor allem aber hat mir der Workshop „Radikalisierung, Verschwörungstheorien & Rechtspopulismus“ der Antonio-Amadeu-Stiftung gefallen, in welchem wir uns intensiv mit Verschwörungsideologien, deren Herkunft, Begriffsunterscheidung und Merkmalen beschäftigten.

 

Und dann schlich sich das Alleinsein in der anderthalbstündigen Mittagspause ein. Nachdem die Kamera ausgeschaltet war, blickte ich wieder in meinen Alltag. So als wäre nichts gewesen, trottete ich in die Küche, setzte Nudeln an, ging eine kleine Runde spazieren und schaltete anschließend meine Kamera wieder an. Mein Energielevel nahm mit jedem Tag ab und obwohl ich Lust hatte, mich mit den anderen auszutauschen, fehlte mir am Abend die Kraft, mich wieder vor den Bildschirm zu begeben.

 

Einen Lichtblick gab es letztlich doch. Dienstagabend. Pizzaessen im El-Arabi mit den in Leipzig wohnenden Seminarteilnehmer*innen. Plötzlich brachen die zweidimensionalen Zoomkacheln auf und zum Vorschein kamen die Menschen hinter dem Bildschirm. So hätte die ganze Woche aussehen können, doch beim Konjunktiv ist es geblieben.


Philipp Hechtfisch (er/ihn) ist als beurlaubter Student jetzt so langsam in Leipzig angekommen. Auch wenn es ihn ab und zu noch in die Heimat zieht und er gerne über die Zugverbindungen zwischen Leipzig und Dresden schimpft, ist seine Kreativität bereits nicht mehr aus dem Theaterpädagogik Team des Schauspielhauses wegzudenken.