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Viel Erde um nichts

Das Schrillen des Feueralarms, gepaart mit seichter, dunkler, irgendwie beunruhigender, Klaviermusik, wirft mich langsam in die postapokalyptische Welt einer Performance, die selbst nicht apokalyptischer sein könnte. Minze, Salbei, Akaziensetzlinge und natürlich jede Menge Sedumpflanzen flüstern Sandra Hüller auf der Bühne und mir durch den Bildschirm zu.

 

Mein unliebsamstes Sedum ist Sedum morganianum, zu Deutsch Schlangen-Fetthennen. Das zerfällt nämlich immer in unendlich kleine Einzelteile, wenn ich versuche, es vom Dach des Parkhauses am Zoo zu zupfen (Brandschutzverordnung oder so). Sedum ist widerspenstig, nicht tot zu kriegen, bissig, hartnäckig. Wie hartnäckig sind wir als Spezies? Wie wollen wir leben, wenn es schon vorbei ist? Was verstehen wir noch nicht, aber werden es vielleicht eines Tages verstehen können? Wie ist unser Verhältnis zu unserer Umwelt?

 

„The Shape of Trouble to Come – Ein posthumanes Ritual“ ist geplant ungeordnet und durchsetzt von Monologen Hüllers/Müllers. Eine Bühne mit einem Graben und den dazu passenden Totengräbern in unerklärlichen, weißen Arztkitteln, einem Radio, flüsternden Pflanzen, toter Technik und sehr gut funktionierender Technik, sehr viele inszenierte Gedankengänge, ein Lagerfeuer, das das Ende übersteht, ein Klavier, das unter der Gewalt der Menschen leidet, aber so, dass sie damit gerade so noch Musik machen können; Critter, das sind Kinder, die in Symbiose mit Tieren zu beidem werden (hierbei prominent: Camille 1 bis 5, ein Mensch-Monarchfalter-Critter).  Einen wundervollen Moment lang singt Christoph Müller ganz langsam „I wanna know what love is“. Ein zarter Versuch, Utopien von Gerechtigkeit mit Worten, Liedern, und Sandra Hüller als „Critter“, heraufzubeschwören. Gemacht von einer Generation, die ihre Hausaufgaben nicht gemacht hat.

 

Eine Bedienungsanleitung zur Vorbereitung des posthumanen Rituals: Zunächst erzählen Sie bitte ausführlich von der Menschheitsgeschichte. Denken Sie hierbei daran, dass das Wesen des Menschen nicht nur von (männlicher) Gewalt bestimmt ist, sondern Frauen auch Menschen sind, die eben zum Säen wilden Hafers, zum Sammeln, zum Behältnisse herstellen, gemacht sind. Vergessen Sie dabei auf keinen Fall die Wurzel des Kapitalismus schlechthin, nämlich den Ackerbau!

 

Das Musiktheater ist viele Dinge auf einmal, macht Türen auf, die zu einem Denken des Menschen in Symbiose mit seiner Umwelt führen, spricht über Utopien aus Science-Fiction Romanen und Geolinguistik. „Was ist das eigentlich, Sprache?“ „Lebt man anders, wissend, dass man ein Gift ist?“ „Braucht der Mensch den Menschen?“ Das FARN.collective vergisst in all dem Chaos der wichtigen Fragen den entscheidenden Punkt zu erwähnen: die Apokalypse wird ungerecht sein. Die Apokalypse, das Ende der Menschlichkeit, die aber nicht das Ende der Menschheit bedeutet, ist schon längst da.


Dana Folz versteht keinen Sarkasmus und kann sich das Ende des Kapitalismus eigentlich ganz gut vorstellen.