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Auf in die Kantine der 70er. Ein Interview mit Tim

Schlechte Nachrichten: Das Theater bleibt bis voraussichtlich 9. Januar nächsten Jahres geschlossen. Verbannt aus meiner eigenen Wohnung, die zurzeit als Quarantänestation für meinen Mitbewohner fungiert, bin ich zu meinen Eltern nach Dresden geflohen. Nun sitze ich hier in meinem alten Zimmer, starre auf meinen Laptop und befinde mich mal wieder im Home-Office – fast wie im Film „Und täglich grüßt das Murmeltier“. Doch was die letzten Wochen sträflich vernachlässigt wurde, kann nun endlich wieder reaktiviert und zu neuem Leben erweckt werden – unser Blog. In unserer Kategorie „5 Fragen an“ suchen wir uns Mitarbeitende aus dem Theater aus, die wir einmal näher kennenlernen möchten und deswegen zum Interview einladen.

 

Knapp einen Monat früher saß ich im Innenhof des Theaters und mir gegenüber Tim, Mitarbeitender aus unserer Kantine. Dass wir uns zum Interview verabredet hatten, war kein Zufall, denn jedes Mal, wenn ich in die Kantine gegangen bin, konnte ich mit ziemlich genauer Treffsicherheit sagen, ob Tim gerade Dienst hatte oder nicht. Ich beherrsche keineswegs die Superkraft, durch Wände zu schauen, doch auf mein musikalisches Gehör ist Verlass. Denn wann immer aus den Boxen der Kantine die Musik der 70/80er zu hören war, wusste ich Bescheid – Tim ist da.

 

Philipp         Die erste Frage, die ich mir aufgeschrieben habe – „Was isst du gerade?“ – kann ich gar nicht stellen, da du nur ein kühles Bier trinkst. Hast du denn trotzdem ein Lieblingsessen in der Kantine?

 

Tim                Ich glaube ich würde, wenn die Snackkarte auch zählt, das Würzfleisch nehmen. Das ist so der Spätschichtklassiker, der dann sein muss.

 

Philipp         Was hat dich in die Kantine gebracht?

 

Tim               Eigentlich … wie weit soll ich jetzt ausholen? Eigentlich wollte ich einen eigenen Laden aufmachen und um ein bisschen Erfahrung zu sammeln, habe ich mich aus Jux hier als Spülkraft beworben. Ja, das ging dann auch relativ fix und da ich ja Musikwissenschaften studiert habe, meinte meine Chefin, dass ich ganz gut in die Kantine passen würde. Und so bin ich hier gelandet.

 

Philipp          Hast du schon immer eine Passion für das Kochen gehabt?

 

Tim                Ja, das kam, als ich vor sieben Jahren hier her gezogen bin. Da hatte ich noch keine Küche, die sollte noch eingebaut werden und dann stand halt alles in der Küche auf dem Boden rum. Und dann war das so eine Überkompensation als die Küche drin war, dass man einfach Lust hatte, die Küche auch zu nutzen. So kam das mit dem Kochen. Angefangen mit italienischer Küche, die noch relativ einfach ist und dann ging das so semi-professionell weiter. Man hat sich eben viel damit beschäftigt.

 

Tims heimlicher Plan, ein eigenes Restaurant mit US-Südstaaten-Küche aufzumachen, so erzählt er mir, wird er wohl erstmal auf Eis legen müssen. Die Idee hat er noch nicht komplett verworfen, doch fürs Erste bleibt er der Kantine treu.

 

Daraufhin erzählte mir Tim, wie er nach dem Abitur eine Lehre als Busfahrer angefangen und diese nach einer Woche wieder geschmissen hat. Anschließend einen Bundesfreiwilligendienst in einer Schule für Menschen mit geistiger Behinderung machte und dann nach Leipzig kam, um Musikwissenschaften zu studieren. Und schon waren wir abgedriftet in einen Nerd-Talk über Musik. Warum taugt neue Musik heutzutage nichts mehr? Wieso enden Musikwettbewerbe in Schweden meist in einer Vollkatastrophe? Oder: Ist das Zerreißen von Papier noch Musik?

 

Philipp          Hast du einen Lieblingstheatermoment?

 

Tim                Also aus eigenem Antrieb habe ich noch kein Theaterstück geschaut. In der Schule waren wir oft dort, aber wenn man nicht drüber nachdenkt, dann geht man da auch nicht hin.

 

Philipp          Immer, wenn du Dienst hast, höre ich deine wunderbare Musik in der Kantine. Sind die 70/80er dein Lieblingsgenre?

 

Tim                Wenn, dann überwiegend 70er. Ich habe mit sechs Jahren so richtig norddeutsch-dorf-mäßig im Spielmannszug mit Schlagzeug angefangen und dann in die Big Band meiner Schule gewechselt. Dann ging es weiter mit Jazz und im Studium Klassik. Ich habe auch so drei Jahre gebraucht, bis ich wusste, wie ich Musik hören möchte – also entweder auf Platte, Spotify oder eigene Dateien. Mittlerweile habe ich mich mit Spotify abgefunden.

                       Ich hatte damals die Africa Parodie von Otto gehört und daraufhin begannen anderthalb Jahre TOTO. Dann kam immer mehr dazu und ich habe mich intensiver mit Musik beschäftigt. Später kamen die Eagles, die ich dann zwei Jahre lang tot gehört habe. Mittlerweile bin ich da wieder offen.

 

Philipp          Hast du einen Geheimtipp, ein Album, eine Band oder einen Song, den du empfehlen kannst?

 

Tim                Da würde ich tatsächlich sagen, Crosby, Stills, Nash & Young. Die sind in Europa nicht so bekannt, aber unglaublich künstlerisch. Textlich fast auf dem Level von Simon & Garfunkel. Mein absolutes Lieblingsstück ist Helplessly Hoping. Eigentlich mach ich sowas nicht, dass ich sage das ist das, was ich am besten finde, aber das ist wirklich grandios.

 

Philipp          Danke dir für das Interview.

 

 

Wer jetzt Lust auf Tims Musikgeschmack bekommen hat, der sollte unbedingt seine Playlist OLD TIME DINER auskundschaften. Es lohnt sich!


Philipp Hechtfisch (er/ihn) ist als beurlaubter Student gerade erst in Leipzig angekommen. Auch wenn es ihn ab und zu noch in die Heimat zieht und er gerne über die Zugverbindungen zwischen Leipzig und Dresden schimpft, ist seine Kreativität bereits nicht mehr aus dem Theaterpädagogik Team des Schauspielhauses wegzudenken.