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Auf nach Kohren-Sahlis. Bitte, wohin?

Kapitel I: Odyssee nach Kohren-Sahlis

 

Es wirkte beinahe wie in einem Film von den Safdie-Brüdern [1]. Eine Verkettung unglücklicher Ereignisse folgt auf die nächste und zum Schluss endet alles in einer Katastrophe. Fast. 7:00 Uhr klingelte mein Wecker und eigentlich hätte ich in Leipzig aufwachen sollen, doch nachdem mich letzte Woche permanent Magenbeschwerden geplagt hatten, entschloss ich, sicherheitshalber zum Arzt zu gehen. An eine pünktliche Ankunft in Kohren-Sahlis war also nicht mehr zu denken. Doch es wurde noch schlimmer. Nachdem ich in den Zug nach Leipzig gestiegen, zu Hause angekommen war und meine Sachen gepackt hatte, lief ich wieder zum Hauptbahnhof, um den Zug 13:20 Uhr zu nehmen. Natürlich fiel der Zug wegen einer Gleissperrung aus und ich musste den nächsten um 14:09 Uhr nehmen. Danach Umstieg in Neukieritzsch und weiter in den Schienenersatzverkehr Richtung Frohburg. Nächster Halt; Unfall. Gemütlich stehend am Busbahnhof, rauscht ein anderer Bus mitten in meinen hinein. Es heißt also wieder warten. Der nach einer Stunde kommende Bus kam keine hundert Meter weit – Stau durch einen Autounfall. Zwanzig quälende Minuten und die Anschlussverbindung rückte in immer größere Ferne. Verpasst. Irgendwo in Frohburg, auf einem großen Platz, spielten Jugendliche Fußball, hörten Technomusik und ich saß allein an der Haltestelle mit einem Buch von Janne Teller. Geschlagene 50 Minuten später kam dann der letzte Bus nach Kohren-Sahlis. Eine schmale Straße führte mich durch ein Waldstück und entführte mich in eine andere Welt. Und da war ich nun, mit fünf Stunden Verspätung, angekommen im Nirgendwo.

 

Kapitel II: 27

 

Ich öffnete die Tür und 27 Augenpaare starrten mich an. 27 Menschen, die ich noch nie zuvor gesehen hatte, mit Ausnahme von Joey. 27 interessante Persönlichkeiten, die ich kennenlernen, mit denen ich Gespräche führen und in einen tiefen Austausch geraten wollte. Doch am Anfang war alles still und nur zaghaft tastete sich jede*r ein wenig an andere heran. Noch recht oberflächlich wirkten die Gespräche, doch je länger der Dialog dauerte, desto intensiver wurden die Themen. Schon am ersten Abend landeten wir beim Thema Tod und philosophierten über das Leib-Seele-Problem. Ein wohliges Gefühl umschloss mein Herz und meine Vorfreude auf die kommenden Tage stieg immer mehr.

 

Kapitel III: Eine Gemeinschaft

 

Der Wochenplan sah voll aus und ließ keinen Platz für Langeweile. Zwischen morgentlichen Spaziergängen und abendlicher Freizeitbeschäftigung wie Karaoke, einem Filmabend oder Techno-Rave gab es natürlich auch eine geballte Ladung an neuen Informationen rund um das FSJ. Was ist ein Abschlussprojekt und welche Möglichkeiten der Umsetzung gibt es? Wo arbeiten überhaupt die anderen Teilnehmer*innen? Oder: was hat es überhaupt mit den Bildungstagen auf sich? All diese und noch viele weitere Fragen sollten in dieser Seminarfahrt beantwortet werden. Am vorletzten Tag gab es dann auch noch zwei Kreativ-Workshops, in denen wir uns entweder mit dem Erstellen eines Songs oder eines Trickfilms austoben konnten. So langsam die Woche begonnen hatte, so schnell war sie dann auch wieder vorbei.

 

Ich sitze auf der Rückfahrt im Zug, starre nachdenklich in die Luft und fühle mich schwermütig. Ich durfte 27 Menschen kennenlernen, mit denen ich gelacht, über meine Ängste gesprochen und getanzt habe. Und die mich beinahe zu Tränen gerührt haben. Vier Monate müssen nun ins Land gehen, bis die nächste Seminarfahrt ansteht. Doch zum Glück gibt es ja noch Telefone und Züge, die mich mehr oder weniger pünktlich zu den anderen Teilnehmer*innen bringen können.

 

–  Philipp

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[1] Die Beiden Independent-Regisseure aus New York City sind vor allem für ihren halbdokumentarisch-fiktionalen Stil bekannt. In ihren Filmen zeigen sie oft fragile Persönlichkeiten, die in ihrer Umwelt fehl am Platz wirken. Filmempfehlungen sind: Uncut Gems, Heaven Knows What oder The Pleasure of Being Robbed.


Impressionen von der Seminarfahrt


Philipp Hechtfisch (er/ihn) ist als beurlaubter Student gerade erst in Leipzig angekommen. Auch wenn es ihn ab und zu noch in die Heimat zieht, und er gerne über die Zugverbindungen zwischen Leipzig und Dresden schimpft, ist seine Kreativität bereits nicht mehr aus dem Theaterpädagogik Team des Schauspielhauses wegzudenken.

 

Joey Günther (er/ihn; dey/dem; es) kennt das Schauspiel Leipzig fast wie seine eigene Westentasche. Doch lechzend nach mehr betritt er nun neue Pfade im Bereich der Theaterpädagogik. Zwischen Cosplay, Bubble Tea und Indie-Rock stürzt er sich ins FSJ-Leben.