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„Deine Freundlichkeit hat etwas Gewalttätiges.“

Alles ist so wahnsinnig politisch. Super. Rauchen ist geil. Ich bin der Welt egal. Ich existiere und weiß nicht, warum. Nein, ich hasse gute Ideen. Ich hasse diese Menschen.

Mit Bio-Bier und -Champagner vergnügt sich die Generation Golf auf der Dachterrasse eines Freundes. Sie redet über ihre Kinder, ihre Reisen, ihre Gemüsegärten. Die eingespielten filmisch dargestellten Dialoge zwischen einer fremden Frau, die sich vor der Party vom Dach stürzen möchte, und dem Gastgeber, werfen eine Rahmenhandlung auf, die der Inszenierung Struktur gibt.

 

Die Gäste treffen ein, führen gezwungenen Smalltalk und verfeinern ihn mit zynischen Spitzen und Sticheleien, die zum Ende hin schrittweise eskalieren. Sie lassen nicht nur sprichwörtlich ihre Masken fallen nur der Gastgeber lässt sie bis zum Schluss auf.

 

Als Zuschauender bekommt man Einblicke in das Innerste einer Generation, die die Kluft zwischen dem unausgesprochenen Zwang, den Schein zu wahren und unterdrückten Existenzängsten prägt. Der Versuch, eine perfekte Lebensstruktur mit mantra-artigen Phrasen aufrecht zu erhalten, misslingt und das Bühnenbild verwandelt sich von einem feinen Ballsaal zu einem postapokalyptischen Schlachtfeld. Die Symmetrie der Choreografien zerfällt parallel dazu. Immer wieder kann man den Kontrast zwischen Ordnung und Chaos, manchmal in einer Szene koexistierend, beobachten.

 

In einer Stunde und vierzig Minuten hält Regisseurin Claudia Bauer nicht nur der Generation Golf den Spiegel vor, sondern auch deren Kindern, die teils ihre Eltern wiedererkennen, teils sich mit ähnlichen Gedanken und Problemen konfrontiert sehen. Mit Verfremdungseffekten wie Masken, der Trennung von Stimme und Körper und fluiden Rollen schlüsselt die Inszenierung starre Rollenbilder und Denkweisen auf und gibt dieses Rohwissen an das Publikum weiter.

 

KRIEG, HUNGER und TOD sind Worte, die den zweiten Teil des Stückes strukturieren. Es sind die Probleme, die die Generation Golf zwar in den Nachrichten sieht, aber von denen sie im kleinbürgerlichen Deutschland nichts mitbekommt. Trotz finanziellen und materiellen Überflusses trägt sie nichts zur Lösung bei. Sie plaudert nur oberflächlich darüber.

 

Zum Schluss wird noch ein Erinnerungsfoto geschossen. Dann gehen alle. Das Publikum wird mit dem Gastgeber alleingelassen. Mit der Verknüpfung von Bild, Licht und Musik breitet sich auf der Bühne eine Stimmung von Ratlosigkeit und erdrückender Einsamkeit aus. Mit diesem Gefühl wird das Publikum entlassen.

 

Dieses Gefühl macht Hunger auf mehr. Und mehrmaliges Anschauen lohnt sich. Ein Stück, das von Anfang an packt und selbst nach seinem Ende nicht so schnell wieder loslässt.

 

Johannes studiert Germanistik und Philosophie auf Lehramt und erfreut sich an jeder gelungenen Alliteration oder Paradoxie in Schrift und Sprache.