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Aus dem Tagebuch eines Regiehospitanten

Neben meinen Aufgaben als FSJler in der Theaterpädagogik – Workshops begleiten, Führungen planen und bei Spielclubs assistieren – hatte ich Lust, auch die Probenprozesse für eine große Inszenierung kennenzulernen. Deshalb freue ich mich sehr darüber, in den nächsten Wochen bei „Mein Freund Harvey“, inszeniert von unserem Intendanten Enrico Lübbe, hospitieren zu dürfen. Ein Stück über den Mann Elwood P. Dowd und seinen wunderlichen Freund Harvey, einen weißen Hasen. Elwood teilt alles mit ihm und stellt ihn auch jedem vor, zum Ärgernis seiner Schwester und Nichte. Denn Elwoods Freund kann bis jetzt niemand außer ihm selbst sehen.  Elwoods Familie hat es lange mit ihm ausgehalten, aber nun greifen sie zu verzweifelten Maßnahmen …

 

Was zu den Aufgaben eines Regiehospitanten gehört und was das für meinen Tagesablauf bedeutet, möchte ich hier festhalten und den einen oder anderen vielleicht auch zu einer Hospitanz anregen.

 

9.00 Uhr Schlüssel für die externe Probebühne am Floßplatz beim Pförtner abholen.

 

9.15 Uhr Angekommen am eigentlichen Ziel: der Probebühne. Bin ich der Erste, schließe ich auf und mache schonmal das Licht an. Schnell geht’s weiter in die Küche, wo es heißt: Essen und Trinken vorbereiten. Es wird Kaffee gekocht, warmes Wasser aufgefüllt, Äpfel geschnitten, Mandarinen geschält, Kekse angeordnet, Knäckebrot hingestellt.

 

9.45 Uhr Das Team ist da und alle holen sich in den letzten Minuten vor Beginn noch einen Tee oder Kaffee, rauchen schnell zu Ende, beißen nochmal in die Schnitte und dann geht’s los.

 

10.00 Uhr Die Probe beginnt. Je nach Plan wird nicht alles geprobt, sondern immer nur eine bestimmte Szene oder ein Akt. Ich sitze mit am Regiepult mit meinem Textbuch und schreibe mir alles wichtige, das vor meinen Augen geschieht, auf. Wer kommt von wo? Welche Requisiten müssen wo stehen? Gibt es einen Umbau? Wird eine längere Pause eingebaut? Ach und wenn mal jemand fehlt, muss auch ich mal einspringen und den Text einlesen oder schnell mal über die Bühne springen. Heute wird vorrangig der 2. Akt geprobt: Veta Simmons, die Schwester des Protagonisten, befindet sich in Dr. Chumleys Sanatorium und will dort ihren Bruder einweisen. Doch im Gespräch mit dem Assistenten Dr. Sanderson passiert genau das Gegenteil und sie wird selbst eingewiesen. Ein Chaos voller Verwechslungen spielt sich vor mir ab und man kommt nicht umhin sich zu fragen, wer hier eigentlich verrückt ist: die Patienten oder das Team der Anstalt?

 

14.00 Uhr Gegen zwei ist der erste Probenblock des Tages geschafft. Ich räume schnell alles beisammen, wasche ab und mache das Licht aus. Kurz gucken, ob alle raus sind und dann abschließen, um in ein paar Stunden wieder alles vorzubereiten. Doch jetzt ist erstmal Pause angesagt, die nicht wie die Proben fest durchgeplant ist.

 

17.15 Uhr Ich bin wieder zurück an der Probebühne und gehe dieselbe Routine wie am Morgen durch.

 

18.00 Uhr Der zweite Probenblock beginnt. Manchmal dürfen wir aber auch abends schon mal auf die Bühne im Haupthaus, sofern dort nichts gespielt wird. Ansonsten wird wie am Morgen geprobt, manchmal dasselbe oder es werden einzelne Szenen zusammengesetzt. Für heute bedeutet das einen Sprung in den 4. Akt. Viel kann ich nicht verraten, aber: Es wird jemand entlassen, die Krankenschwester rettet die Situation und jemand geht freiwillig ins Sanatorium …

 

22.00 Uhr Der Tag ist geschafft. Schnelldurchlauf: Abwaschen, Zusammenräumen, Licht aus, Tür zu… Oh, beinahe jemanden eingeschlossen, also schnell rauslassen und dann abschließen. Jetzt aufs Rad und fix den Schlüssel wieder abgeben um ihn morgen früh, pünktlich um neun, wieder abzuholen.

 

Das wird mein Tagesablauf bis zur Premiere am 18. Januar bleiben. Manchmal ist es etwas stressig, aber doch immer wieder witzig und lehrreich und ab und zu sieht man auch einen 2,10 Meter großen weißen Hasen auf der Bühne …

 

Ein Tagesbericht von Johannes Preißler.


Johannes Ernst Richard Preißler ist die männliche Unterstützung im Theaterpädagogik Team für diese Spielzeit. Wenn er mal nicht zum Kaffeeklatsch der SeniorInnen eingeladen ist, singt er von Rettungsschwimmern, Wutbürgern und Stalkern mitsamt seines Akkordeons.