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„Nicht alle sind mit einem Gewissen geboren“

Ein Text von Ronja Richter zu „König Ubu / Ubus Prozess“ in der Regie von Claudia Bauer

 

König Ubu erscheint in vollkommener Nacktheit in einem Kubus, der mitten auf einer mit Gold tapezierten Bühne steht, und wird in monotoner Sprache wiederholte Male seiner Taten angeklagt.  Alles, was im Kubus geschieht, sieht der Zuschauer nur von außen an dessen Wand projiziert. So wird dieser zentrale Platz bald zum Rückzugsort, bald zum Gefängnis, aber vor allem zu einer Instanz, die dem Zuschauer verwehrt wird.

 

König Ubu, der anfangs noch kein König war, bringt schon sehr früh sowohl seine vulgäre Sprache als auch sein Bedürfnis nach Macht und Blutwurst zum Ausdruck. Egoistisch strebt er nach Geld und wird schließlich durch seine Frau und seine Anhänger zum Mörder gemacht. Der alte König fällt und nun ist Vater Ubu an der Reihe. Das Stück zeigt mit aussagekräftiger musikalischer Untermalung und einem perfekt abgestimmten Zusammenspiel zwischen den Figuren um König Ubu seine Grausamkeit, die dem faulen, dummen und äußerst feigen Protagonisten nicht bewusst zu sein scheint. Obszöne Szenen verdeutlichen metaphorisch das Chaos, das nun im Königreich Polen herrscht. Das dem König aufgezwungene Verteilen von Kuchen und Geld im Publikum hält nur kurz an. Figuren, die bei König Ubus Krönung weinen und Sequenzen, die immer wieder kurz in die zukünftigen Geschehnisse blicken lassen, zeigen klar, dass etwas faul ist im Staate Polen. Der erste Part der Inszenierung erstreckt sich etwas in die Länge und wird nur durch surreale Szenen zusammengehalten. Entweder wird das Essen besungen oder bekackt oder aber die Figuren entfalten sich in völliger sexueller Freiheit, was wohl auch die einzige Funktion der Gemahlin des Königs zu sein scheint.

 

Das alles bringt Alfred Jerrys König Ubu in kurzer Zeit auf den Punkt. Und dann kippt die Handlung. Unter dem Deckmantel des Krieges rückt die Figur des rational Denkenden und dabei doch sehr dümmlichen Königs immer weiter in den Hintergrund. Der Übergang der Stimmungsveränderung wird souverän gemeistert. Auf zwei Ebenen wird nun die Gewichtung der Figuren gedreht. Plötzlich sind es König Ubus Anhänger, die mit ihrer Schuld konfrontiert werden und diese verantworten müssen. Der Zuschauer blickt jetzt auf eine andere Seite und muss feststellen, dass nicht alleine der König die Schuld trägt. Und doch ist es nur er, der am Ende in seinem Gefängnis verharren und mit sich und den Menschen ins Gericht gehen muss. Er wird nun wieder zentraler Hauptcharakter, wobei er einiges der alten Figur verloren hat. Er versucht, seine Anklagen mit Falschaussagen zu mindern, doch damit wird er schon bald alleine gelassen. König Ubu spricht nun direkt mit den Menschen, dem Publikum. Er zerstört in wenigen Minuten mit seinem Epilog die blauäugigen Hoffnungen der Menschheit. Wir wären nicht in der Lage die Welt zu retten, das Leben sei nichts als das Leben an sich, es gäbe keinen höheren Sinn, was wir tun sei nur Wirklichkeitsbewältigung.

 

Das Stück endet, wie es anfing. Obwohl im Mittelpunkt ein politisches Thema stand, scheint dies nicht die Hauptaussage des Stückes zu sein und der Zuschauer dachte im stillen Schweigen, nachdem der Vorhang fiel, ganz gewiss über andere Dinge nach.

 

Diese Rezension ist im Rahmen des Projekts „Junge KritikerInnen“ entstanden und wurde von einer Schülerin verfasst. Bist du mindestens 14 Jahre alt und hast auch Lust zu lernen, wie man professionell Kritiken schreibt? Dann melde dich an unter swantje.noelke@schauspiel-leipzig.de oder unter 0341/1268-496.