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Der Mensch, ein Monster?

Das Publikum verteilt sich auf Hockern um ein Rettungsboot, das in der Mitte des Raums steht und nach einem nicht klar benannten Unglück nun auf dem Meer treibt. Um die ZuschauerInnen schweben in weiß gekleidete, mystische Gestalten; sie bewegen sich durch das Meer und haften sich dann an das Boot an. Dort warten sie und wirken wie der Tod, der auf baldige Beute hofft.

Die Überlebenden erwachen – alles Kinder und Jugendliche –, erkennen ihre Situation und die 17-jährige Ann und der 18-jährige Allan ernennen sich selbst aufgrund ihres Alters zu AnführerInnen. Ein wahlloses und unbedeutendes Kriterium macht sie also zu denjenigen Personen, die plötzlich Entscheidungsmacht haben, die auch bald ausgenutzt wird. Angst scheint vorerst nicht zu existieren, sondern nur Dankbarkeit über das Überleben und Hoffnung auf Hilfe. Auch herrscht ein gemeinsamer Konsens darüber, dass zusammen alles überstanden werden kann. Doch bald kippt die Stimmung, bald scheint jeder sein wahres Gesicht, seinen Egoismus, seinen eigenen Überlebensdrang preiszugeben. Auf dem Rettungsboot befindet sich zwar Vorrat, dieser ist aber so dürftig, dass er für alle nur etwa einen Tag reichen würde. Als noch eine 13. Person bei der Suche nach Nahrung auf dem Boot gefunden wird, eskaliert die Situation vollkommen. 13 – eine Unglückszahl, eine Unglückbringerin, ein Fluch, zu viele, um die Nahrung zu teilen. Alles Menschliche geht in den Jugendlichen verloren, als zum ersten Mal geäußert wird, dass man eventuell Foxy, die Dreizehnte, einfach von Bord werfen sollte. Aus zusammen sind wir stark wird kümmert sich jeder um sich, so geht es allen gut. Ein makabres Spiel erwartet die Zuschauer bald, als jeder dazu aufgefordert wird, seinen Nutzen vor allen zu präsentieren, um zu entscheiden, ob er oder sie einer Ration Nahrung würdig ist.
Eine Selektion nach dem Wert für die Gruppe findet also statt, bei der der oder die Starke vom Schwachen zehrt, ihn bzw. sie tötet, um sich selbst das Überleben zu sichern.

Die weißen Gestalten um das Boot werden immer gieriger, lauter, schneller. Der Tod wird immer lebendiger, er rückt näher und der Hunger wird das erste Mal gestillt, als Foxy, die Dreizehnte, die das Unglück heraufbeschwor, zu Tode getreten wird, nachdem sie die gesamte verbliebene Nahrung aufgegessen hat. Beim Kampf ums Überleben wurden alle zu Mördern, sie haben alles Menschliche in ihnen verraten.

„#noname“ hält mit Dreizehn Leben dem Publikum einen Spiegel vors Gesicht. Denn sind wir nicht alle immer wieder darauf aus, vor allem unser eigenes Wohl zu sichern und stellen wir uns nicht zu oft vor andere, statt uns gemeinschaftlich umeinander zu kümmern? Das, was hier gezeigt ist, ist exemplarisch für jede Katastrophe, die schon stattfand oder noch stattfinden wird und macht deutlich, wie schnell der Mensch zum Unmensch, zum Ungeheuer und Mörder wird. Nur, um sich selbst zu retten. Doch was eine solche vermeintliche Rettung bringt, die durch einen Mord erreicht wurde, zeigt das Ende. Ein Helikopter naht und nimmt alle auf dem Boot mit. Nur Ann bleibt, denn sie kann mit ihrer Schuld nicht leben.


Eine Rezension von Saskia Burzynski.