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Die kaputte Heimat

Was man als Heimat bezeichnen würde, fragt Max Frisch (1992) und gibt Dorf, Stadt, oder ein Quartier darin, einen Sprachraum, einen Erdteil oder die Wohnung zur Auswahl.

 

Ein gefühlsbetonter Ausdruck innerer Verbundenheit, eine Option, die man wählt, um anzukommen. Aus der Ferne betrachtet: Etwas, zu dem man zurückkehren kann, um wieder anzukommen. So oder so scheint es mit einer etablierten Empfindung verknüpft zu sein, nach der es sich zu streben lohnt oder sei wenigstens wert, dass man danach fragt. Aber wie? „Wo“ ist längst abgetan. Warum nicht überholte Vergangenheit oder medial vermittelte Sicherheit in Erfahrung bringen sofern das Bedürfnis danach vorherrscht? Manchmal verlangt der Begriff auch: Aushalten, mithalten, sich irgendwie verhalten. Woher kommst Du, wohin gehst Du oder wann kommst Du zurück? Zuerst braucht es einen Vergleichswert, die Distanz – von selbst wertschätzt man nicht. Es muss erst etwas passieren, das eine Loslösung als Zwischenfall, als Einfall und ein Zurückkehren erlaubt. Ferne als Chance und Notwendigkeit?

Man entkommt der Heimat nicht. (Oder?) Dass der Diskurs unweigerlich von gegenwärtigen politischen Strömungen weiter vorangetrieben wird, lässt die Antworten nicht weniger individuell ausfallen als die Personen, die darauf reagieren. Ähnlich bunt, schnell und voll zeigt sich die Inszenierung von Gordon Kämmerer über die Suche danach, was Tinotoni, eine unbezifferbar alte Dame und ein Lachs gemeinsam haben. Den Gag soll bitte jeder für sich selbst auflösen oder einfach, gleichwohl der dargestellten Bildgewalt, den vermittelten Energien der Inszenierung Fluss, stromaufwärts“ schmunzeln. Über die flinken circa 70 Minuten passieren Livemusik, Heimatsuche und Fernweh, Gewohnheiten und Veränderungsdrang, das sich darin Verlieren und neu Finden. Viele viele Requisiten und Kulissen vor dem Glitzervorhang sind nur ein kleiner Teil der vollumfänglichen Raumnutzung. Alles ist nah und im Fluss, Identität und Integrität inbegriffen. Es fällt leicht zu Taumeln wie durch schnell überlappende Traumbilder, bei denen ein Element den Übergang durch die Eindruckswelten schaffen muss. Bunt, bunter, „Fluss, stromaufwärts“. Aufgefordert, sich zu dem Gesehenen zu verhalten, trinken und drehen sich die ZuschauerInnen mit, zwischen und um die Darstellenden. Wie alles Pop ist, sind hier Musik, Farbe, Worte, Gesten, Bewegungen (auch im Denken) Teil der Inszenierung, die sich in ihrer visuellen Wirkung kaum in Wort fassen lässt. Hier, bitte sehr: Für alle, die sich lieber von Konfetti statt von Inhalten berieseln lassen wollen, etwas fühlen und innerlich tanzen können, die Fragen im Zeitgeist spüren und Ambiguität aushalten. „Fluss, stromaufwärts“ ist facettenreich wie die Fragen die aufgeworfen werfen, losgelöst von dem Drang, die eine Antwort zu finden. „Der normale Lauf des Lebens ist //“

 

Claudia Helmert hat stets den mood, sich des eigenen Verstandes zu bedienen. Dabei schadet es ja nicht, sich von allem Schönen berauschen zu lassen.